Page 83 - Das Zelthandbuch 2017
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Gedanken eines Zeltmachers von Bo Hilleberg
Ich schrIeB eInmal, wie wir unsere Zelte bauen und warum wir so viele Modelle haben. Dabei denken wir gar nicht an ein bestimmtes Design, sondern orientieren uns an der besten Lösung. In unseren Anfängen als Zeltmacher wollten wir ein gutes Zelt bauen, das es mit allen Herausforderungen des „Fjälls” – der Wildnis Skandinaviens – aufnehmen konnte. Denn der Großteil unserer Berglandscha  be ndet sich oberhalb der Baumgrenze, und das Wetter kann so ziemlich alles von wunderbar bis miserabel sein. Es leuchtet ein, dass so ein Zelt echt stabil sein muss. Schneestürme im Sommer sind hier keine Seltenheit, so muss es jedem Wetter widerstehen – sogar wenn es völlig ungeschützt steht. Außerdem sollte sich das Zelt leicht au auen lassen, ohne die lästige Prozedur, zuerst das Innenzelt aufzustellen, um danach das Außenzelt überwerfen zu können. Unsere Idee: Wenn das Innenzelt bereits mit dem Außenzelt verbunden ist, kann das gesamte Zelt in einem Rutsch stehen. Dies würde den Au au bei Wind viel einfacher gestalten und das Innenzelt sogar bei Regen trocken halten. Ein perfektes Zelt für unsere Wildnis.
Seitdem konstruierten wir unsere Zeltmodelle bedarfsorientiert. Niemals verfolgten wir ein bestimmtes Design. Tatsächlich arbeiten bei Hilleberg keine “Designer”. Wir haben eine Produktentwick- lungsgruppe und Konstrukteure, die die Zelte gestalten und Muster bauen. Wenn wir ein neues Zelt entwickeln oder irgendwelche Ver- besserungen durchführen, zielen wir die Lösung des Problems an und suchen den besten Weg, die gewünschte Funktion zu erreichen. Sobald dies geschehen ist, testen wir das Zelt ausgiebig – sowohl im Labor als auch im Freien.
Zu einem großen Teil liegt der Schlüssel zum Erfolg beim rich- tigen Material. Für jede Aufgabe suchen wir nach dem passenden Material. Und es kommt auch einmal vor, dass es seiner Aufgabe gar nicht gewachsen ist. Anfang der 70er Jahre waren die meisten Zeltstangen massiv anstatt hohl, und eben ohne verbindende Gum- mischnur. Wir hatten sowohl ein Kuppelzelt als auch ein Tunnelzelt konstruiert, aber die Technologie des Gestänges schränkte die von uns geforderte Funktion immens ein. Also legten wir das Projekt erst einmal auf Eis.
Manchmal fällt die richtige Lösung aus heiterem Himmel. Mitte der 70er Jahre bekamen wir von unserem Materiallieferanten Proben eines neuen Gewebes zugeschickt, die anstelle des üblichen Polyurethans mit Silikon beschichtet war. Eigentlich wollte er uns nur eine alternative Beschichtung zeigen, aber wir entdeckten, dass es weit mehr als das war.
Zu dieser Zeit suchten nach einer Lösung unsere Zelte robuster zu machen. Denn, bekam das Außenzelt einen kleinen Riss – zum Beispiel wenn jemand mit Steigeisen auf das Zelt trat, entwickelte er sich häu g weiter. Und wurde das Gewebe stärker belastet – wie bei einem Sturm, könnte der Riss so ausarten, dass man sogar die Tour abzubrechen müsste. Schnell stellten wir fest, dass das neue silikonbeschichtete Gewebe in der Tat deutlich stärker und reißfester war. Es war genau das, nach dem wir suchten. Also setzten wir es sofort ein.
Ich war schon immer der Meinung, dass die Funktion das Design bestimmt, denn gute Funktion sieht eigentlich immer gut aus. Hat man das Problem geknackt und baut ein Zelt, von dem man über- zeugt ist, dass es perfekt funktioniert, dann könnte vielleicht etwas “Design” diese Lösung ein bisschen attraktiver machen. Aber nur, wenn es in keiner Weise die Funktion negativ beein usst. Design kommt – wenn überhaupt – stets zuletzt!
Hilleberg arbeitet kontinuierlich unter dem Aspekt maximaler Funktion. Gleichzeitig sind wir ein Unternehmen, das tief mit der Natur und dem Leben im Freien verbunden ist. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und war Förster. Respekt vor der Natur und sich für eine saubere Umwelt einzusetzen, ist für mich selbstverständlich, und ich  nde, dass ich viel davon in die Marke Hilleberg impliziert habe. Bei uns kommen nur Materialien und Prozesse zum Einsatz, die so wenig wie möglich die Umwelt belasten und dennoch die gewünschte Funktion erfüllen. Unsere Zelte sollen langlebig und leicht zu reparieren sein. Schließlich steht unser Name auf jedem Zelt, und da wir sie selber o  benutzen, möchten wir, dass sie perfekt sind!
Petra und Bo Hilleberg während eines Zelttests auf einer Skitour im schwedischen Fjäll  Foto: Jon Dykes/Hilleberg Team 
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